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Die Lebenshilfe Freising steht für

Inklusion und Partizipation von Menschen mit geistiger Behinderung

ein. Hierbei leitet uns der Gedanke der Sozialraumorientierung sowie das Prinzip der barrierefreien Gestaltung unserer Einrichtungen und Kommunikationsstrukturen. Im Vorwort des BiG-Jahrbuchs 2022/23 macht sich Johannes Reicheneder einige Gedanken zur Inklusion. Er sagt: "Inklusion ist ein Menschenrecht!"

Vorwort im BiG-Jahrbuch 2022/23 von Johannes Reicheneder

Wir versuchen stets, die besonderen Belange und Bedürfnisse der Menschen, die wir begleiten, ins Zentrum unseres fachlichen und gesellschaftspolitischen Handelns, Planens, Assistierens, Pflegens und Begleitens zu stellen. Dabei spielt auch die Identität der Lebenshilfe Freising als Zusammen- und Schulterschluss von Eltern / Angehörigen, Selbstvertreter*innen und Fachleuten eine große Rolle in der Angebotsentwicklung und -ausgestaltung.

Das „Thema“ Inklusion gerät jedoch zunehmend ins Hintertreffen angesichts herausfordernder und sich überlagernder Krisen. Die enge Taktung und Abfolge von akut auftretenden Problemen erfordert schnelle Lösungen. Im Bereich der Inklusion verzeichnen wir so etwas wie Regression und sehr schnell geraten wir als Träger von zahlreichen Angeboten und Einrichtungen der Eingliederungshilfe so in eine von der Gesellschaft bisweilen falsch verstandene Zuständigkeit der Lebenshilfe Freising.

Im Bereich der Inklusion von Kindern im Vorschul- und Schulalter sind wir bestrebt, den Charakter von Sondereinrichtungen dahingehen zu brechen, inverse Inklusionsstrategien zu verfolgen. Wir verpartnern uns mit Außenklassen von Regelschulen in unseren Räumlichkeiten, kooperieren und beheimaten uns mit und in Grund- und Realschulen mit gruppenbezogenen Angeboten einer Heilpädagogischen Tagesstätte, betreiben inklusive Kitas, in denen wir wiederum mehrheitlich auch Kinder ohne Behinderung betreuen.

Wir haben viel erreicht, stehen aber zugleich vor gewaltigen Herausforderungen gerade in Zeiten einer gesellschaftlichen Regression und einer seltsamen Besinnung auf rückwärtsgewandte und ausgrenzende Sichtweisen sowie einem falschen Verständnis einer Verherrlichung von segregierenden Strukturen. Gleichzeitig ist das Förderzentrum geistige Entwicklung mit Schwerpunkt Inklusion an seine räumliche Kapazitätsgrenze gekommen. Wir verzeichnen von Jahr zu Jahr eine Zunahme an Schüler*innen und können weitere auf absehbare Zeit nicht mehr aufnehmen.

Während wir im Jahr 2015 noch 150 Schüler*innen zählten, ist diese Zahl im Jahr 2022 bereits auf 227 Schüler*innen angewachsen. Im kommenden Schuljahr 2023/2024 nehmen wir 29 Erstklässler*innen auf. Dieses Wachstum führt dazu, dass wir bereits im Jahr 2026 mit 276 Schüler*innen kalkulieren müssen.

Diese erhebliche Zunahme an Anmeldungen hat auch Auswirkungen auf den Ganztag im Rahmen unserer Heilpädagogischen Tagesstätte (HPT). Ein großer Teil der Schüler*innen unseres Förderzentrums beansprucht dieses Angebot, das ebenfalls im BiG beheimatet ist. Kurzum: Wir sind an der absoluten Kapazitätsgrenze.

Gegenwärtig behelfen wir uns mit Kooperations- und Außenklassen sowie alternativen Standorten im Bereich der sozialen Landwirtschaft. Vielen unserer Kindern und Jugendlichen kommt dieser Ansatz zugute. Dieses Konzept soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir vor einem ernsthaften Problem stehen, Kinder mit Behinderung in unserer Region nicht mehr beschulen zu können. Aus meiner Sicht gibt es mit Blick auf die nähere Zukunft zwei Lösungsansätze:

Wir begreifen Inklusion wieder als eine uns alle betreffende Aufgabe sowie gleichermaßen Haltungsfrage und fordern die sogenannten Regelschulen auf, sich erneut verstärkt gegenüber der gemeinsamen Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung zu öffnen.

Andernfalls müssten wir miteinander darüber nachdenken, eine weitere „Sonderschule“ im Landkreis Freising zu eröffnen.

Die Lebenshilfe Freising will Wegbereiterin und Entwicklungshelferin für Inklusion sein. Sie ist keinesfalls zuständig dafür. Diese Zuschreibung von anderen ist mittlerweile zu einer fachlichen und politischen Herausforderung erwachsen, Menschen und Fachleute anderer Organisationen zur Betreuung und Assistenz in sogenannten Regeleinrichtungen zu ermutigen.

Inklusion ist vermutlich nie zu Ende. Wir fangen daher stets und auf`s Neue und gefühlt immer wieder von vorne an.

[Vorwort des Jahrbuchs im BiG 2022/23 von Johannes Reicheneder]

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