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Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention unter Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach fördert seit diesem Jahr den Einsatz von zwei sogenannten

„Brückenschwestern“ in Einrichtungen der Lebenshilfe Freising

mit 120.000 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren. Federführend ist in diesem Zusammenhang Diana Flammann, Pflegekoordinatorin und zuständig für den zukünftigen Pflegedienst bei der Lebenshilfe Freising. Im Interview berichtet Flammann, wie die Idee der inklusiven Brückenschwestern entstanden ist und wie diese Idee konkret bei der Lebenshilfe umgesetzt wird.

Inklusive Brückenschwestern bei der Lebenshilfe

Nicola Bauer: Wie ist die Idee der allgemeinen „Brückenschwester“ entstanden?
Diana Flammann: Die Idee stammt von Petra Waldhör, der Geschäftsführerin des SAPV-Teams in Freising. (SAPV bedeutet spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Anmerkung der Redaktion) Das Projekt läuft bereits seit 2022 und ist über die Paula-Kubitschek-Stiftung finanziert. Es wird in zwölf Pflegeeinrichtungen des Landkreises Freising eingesetzt. Das Projekt „Brückenschwester“ ist gleichzeitig auch die Folge des ZIB-Projektes „Zeitintensive Betreuung am Lebensende“, denn dabei hat sich ganz deutlich Bedarf abgebildet.

Welche Arbeit kommt den Brückenschwestern genau zu?
Die Brückenschwestern sind als Palliativ-Care-Fachkraft feste Ansprechpartner*innen für die Hospizarbeit und die palliative Begleitung in der Lebenshilfe. Dabei schlagen sie als Pflegekraft eine Brücke und sind das Bindeglied zwischen allen Beteiligten: den Klient*innen, deren An- und Zugehörigen, den Ärzt*innen, dem Pflegepersonal und beispielsweise auch dem Hospizverein, dem SAPV-Team und ähnlichen.
Gemeinsam soll Inklusion bis zum Ende des Lebens ermöglicht werden. Die Begleitung in der letzten Lebensphase soll auch für Menschen mit Behinderung verlässlich gestaltet werden – und zwar durch einen qualitätssichernden Prozess. Neben – und nicht vor und auch nicht hinter – allen an diesem Prozess Beteiligten zu gehen, kann eine möglichst gute palliative Versorgung bieten.
Wie sind Sie darauf gekommen, das Projekt für die Lebenshilfe Freising zu adaptieren?
Im Rahmen meiner Netzwerkarbeit vormals als unabhängige Pflegefachberatung / Pflegekoordinatorin des Landkreises Freising war mir die ZIB-Studie in den Pflegeeinrichtungen bereits bekannt. Daran waren jedoch die Einrichtungen der Eingliederungshilfe bis dato nicht beteiligt. Während meiner Einarbeitungsphase bei der Lebenshilfe Freising galt es nun, unter anderem im Rahmen einer persönlichen Ist-Analyse, die Pflegebedarfe an sich in den Wohnhäusern zu betrachten. Jede Wohneinrichtung für sich hat bereits bestehende palliative Kulturen, aber mit dem Blick aus einer anderen Perspektive und dem Wissen der vorhandenen Netzwerkstrukturen im „Außen“ galt es, Wege zu finden, die palliative Care-Kultur weiterzuentwickeln, bestehende Netzwerke zu nutzen und „insgesamt zugänglich“ zu gestalten. Das und die besonderen Bedarfe waren mein Antrieb, Kontakt zu Petra Waldhör aufzunehmen.
Man kann tatsächlich ganz unverblümt sagen: Bei uns, bei der Lebenshilfe Freising, wird es sich nicht so leicht gestorben. Aber wenn es dann zum Abschied kommt, dann ist das auch ein einschneidendes Erlebnis für die Mitarbeitenden, da sie teils jahrelang wie in einer Familie mit dem sterbenden Menschen zusammengelebt haben. Hier muss unbedingt Unterstützung von außen beziehungsweise mit dem Blickwinkel von außen her, um die bestmögliche Versorgung des sterbenden Menschen in seinem Zuhause zu gewährleisten.
Und genau deshalb sprechen wir auch von den „inklusiven Brückenschwestern“.  Die Zweideutigkeit des Wortes – inklusiv, als „inklusive“ Leistung, die wir bieten und sicher ermöglichen möchten, dass unsere Klient*innen bis zum Tod in den Wohneinrichtungen beziehungsweise in ihrem Zuhause bleiben können. Und: Es steckt natürlich Inklusion darin; also Strukturen zu schaffen, um die professionelle palliativmedizinische Begleitung zu optimieren und weiterzuentwickeln.

Gibt es Änderungen, also Adaptionen, die für den Einsatz der „ Inklusiven Brückenschwestern“ in der Eingliederungshilfe notwendig waren?
Es ist unumgänglich, dass alle Akteur*innen einbezogen werden müssen, insbesondere die Mitbewohnenden und Betreuenden. Alle sind wichtig und niemand darf übersehen werden mit den ganz eigenen Bedarfen und Fragen wie beispielsweise: Wie erleben es die Beteiligten, wie kann man unterstützend begleiten? Welche letzten Wünsche haben die Betroffenen und wie können wir diese umsetzen? Was braucht es zur Schulung aller Mitarbeitenden? Was braucht es um gegebenenfalls unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden?
Die durchschnittliche Verweildauer unserer Klient*innen in den Wohnhäusern der Lebenshilfe liegt bei stolzen 16,54 Jahren und somit exorbitant höher als vergleichsweise in Pflegeeinrichtungen. Die Bindung der Klient*innen untereinander sowie die Bindung zwischen Mitarbeitenden und Klient*innen weisen familiäre Strukturen auf, welche besondere Beachtung finden und finden müssen.
Ein weiteres wichtiges Anliegen sind Patientenverfügungen: Was wünscht sich jede*r unserer Klient*innen am Lebensende für sich? Die Kommunikation, die Gespräche darüber, welche Inhalte sich in der Verfügung widerspiegeln sollen, sind enorm wichtig. Man muss quasi darauf vorbereitet werden, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
In welchen Einrichtungen der Lebenshilfe Freising kommen die „Inklusiven Brückenschwestern“ nun zum Einsatz?
Sie finden vor allem in den Wohnhäusern der Lebenshilfe Freising, die vorwiegend schwerst mehrfachbehinderte Menschen betreuen, ihren Einsatz. Dazu zählen das Anneliese- Schweinberger-Haus, das Wohnhaus Johannesstraße, das Juliane-Maier-Haus, das Hermann-Altmann-Haus sowie die Integrative Wohnanlage.

Wie viele Stunden pro Woche sind die „Inklusiven Brückenschwestern“ jetzt bei der LH im Einsatz?
Wir haben zwei Stellen mit jeweils zehn Stunden besetzt.

Wie ist das Projekt angelaufen? Gibt es bereits erste Erfahrungsberichte?
Die Projektplanung sowie die Vorstellung in den Wohneinrichtungen war erfolgreich und wir konnten Bedarf und Nachfrage aufzeigen. Da zu Beginn erst eine der zwei Stellen besetzt war und diese dann ausgefallen ist, haben wir gemerkt, wie wichtig es ist, schnell Ersatz zu beschaffen beziehungsweise die zweite Stelle zeitnah zu besetzen.
Wir haben festgestellt: Es gibt sehr wohl hochqualifiziertes verfügbares Personal. Die zweite Inklusive Brückenschwester, die wir gewinnen konnten und die beim SAPV Freising angestellt ist, hat im April begonnen. Nach einer längeren Pause im „üblichen“ Pflegealltag, sieht sie diese Stelle als Möglichkeit, ihre Haltung und Werte in den Einrichtungen der Lebenshilfe wertgeschätzt einzubringen.
Petra Waldhör und ich haben uns damit auseinandergesetzt, Strukturen für einen Krankheitsfall zu entwickeln, bei dem eine Vertretung nötig wird.
Da ich als Projektleiterin und Ansprechpartnerin innerhalb der Lebenshilfe fungiere, habe ich nach Alternativen gesucht im Hinblick darauf, was uns das SAPV-Team gegebenenfalls an Schulungen für unsere Mitarbeitenden anbieten kann. Auf Anfrage schult das SAPV-Team, das in diesem Fall aus einer Palliative Care Fachkraft sowie einer Palliativmedizinerin besteht, zwei unserer Einrichtungen. Und zwar genau zur Überbrückung der Ausfallzeit.

Was ist Ihnen in Bezug auf diese Neuerung noch wichtig?
Es ist mir wichtig, zu betonen, dass es Qualität und Strukturen braucht, damit alle Klient*nnen der Lebenshilfe Zugriff auf alle Möglichkeiten haben, auch im Außen.

Grundsätzlich möchte ich mich herzlich bei Petra Waldhör bedanken, die von Beginn an offen, engagiert und bereit war und ist, „neu zu denken“ und die – wie wir hier auch – Inklusion als Notwendigkeit und Auftrag sieht. Es war mir eine Freude und aufregend zugleich, dieses Projekt beim Ministerium persönlich mit ihr vorzustellen und die Zustimmung der Finanzierung erfahren zu dürfen.
Die Idee, die Inklusiven Brückenschwestern ins Leben zu rufen, war überhaupt der erste Schritt. Unsere Geschäftsführung ist bereit, neue Wege zu gehen und ist stets offen für Anregungen. Besonders die Einrichtungsleitungen halten engen Kontakt zu mir, was einen effizienten Austausch auf dem kurzen Dienstweg ermöglicht.

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