Noah Schäftlmeier auf seinem Weg in die Selbstständigkeit: Teil 1 - Meine Kindheit
Meine Kindheit war wunderschön. Uns hat es an nichts gefehlt. Dass ich eine Behinderung habe, habe ich erst mit acht Jahren bemerkt. Vorher hat das einfach keine Rolle gespielt. Ich sage immer: Das war wie Bullerbü.
Meine Mama hat mich oft vom Kindergarten abgeholt, dann sind wir schnell zum Supermarkt gefahren, und danach an den See. Ich war so klein, dass meine Eltern mich ganz einfach überall mit hinnehmen konnten. Meine Mama hat mich meist einfach genommen und mich zum Beispiel in den Einkaufswagen gesetzt.
Um fünf Uhr kam dann mein Papa von der Arbeit direkt zum See – seine Arbeit war nur drei Minuten entfernt.
Meine Eltern haben nie eingesehen, dass ich weniger am Leben teilnehmen soll nur weil ich behindert bin. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.
Als mein Bruder auf die Welt kam, war das für mich wunderschön.
Als er das erste Mal selbstständig mit Messer und Gabel gegessen hat, war das ein besonderer Moment für mich. Da habe ich auf einmal angefangen zu weinen. Denn in diesem Augenblick realisierte ich, dass er etwas kann, das ich nicht kann, obwohl er viel jünger ist als ich. Da habe ich erst wirklich gemerkt, dass ich eine Behinderung habe.
Zu diesem Zeitpunkt, besuchte ich bereits seit 4 Monaten eine Schule in München. Aber erst jetzt wurde mir bewusst, dass viele Kinder ohne Hilfe essen konnten – einige (darunter auch ich) jedoch mehr oder weniger Hilfe benötigten. Auch die Rollstühle, die man öfter sah, fielen mir erst ab diesem Zeitpunkt immer mehr auf.
Ich weiß es klingt vielleicht blöd, aber am Nachmittag nach der Schule, kam ich dann zurück nach Bullerbü wo die Behinderung keine Rolle spielte und ich versucht habe sie auszublenden.
Ich weiß nicht wie meine Eltern das geschafft haben, aber sie haben mich sehr darin unterstützt, dass diese Einsicht nicht zu schnell und überwältigend in mein Leben kam.
Irgendwann jedoch, als ich größer (und schwerer!) wurde, konnten meine Eltern mich nicht mehr immer einfach so auf dem Arm überall mit hin tragen. Ich bekam meinen ersten richtigen Rollstuhl. Auf den Rädern waren Planeten drauf und ich musste mich immer mehr mit dem Gedanken anfreunden behindert zu sein.
Ab diesem Zeitpunkt gab es immer wieder solche Situationen und Hindernisse, die mitunter auch schmerzhaft für mich waren und große Herausforderungen darstellten. Viele hilfsbereite Menschen und Hilfsmittel verschiedenster Art waren dabei für mich sehr wichtig. Dass meine Familie und ich nie aufgehört haben, die Herausforderungen bezüglich meiner Behinderung, vor die uns das Leben gestellt hat, anzunehmen und zu meistern, macht mich sehr stolz.
Auch heute stoße ich immer wieder an neue Hürden oder Barrieren. Es auf meine Weise zu machen, ist ein Lebensstil für mich geworden. Und ich möchte zeigen: Es geht auch so.
[Text: Noah Schäftlmeier]
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