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Filzwerkstatt, Kerzenwerkstatt, Schmuckwerkstatt, Kartenwerkstatt, Mosaikwerkstatt, Arbeitsbereich Garten, Kreativwerkstatt - diese Vielzahl an Angeboten bietet die

Förderstätte Moosburg

für die Förderstättengänger*innen an. Dazu kommen kreative Sonderprojekte sowie jede Menge Einsatzfreude der Mitarbeiter*innen in der FÖST. All das funktioniert nur so, weil sich die Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit identifizieren.

Kreatives Arbeiten in der Förderstätte Moosburg

Interview mit Rafael Wachs, Leiter der Förderstätte Moosburg (FÖST)

Herr Wachs, wie läuft die Arbeit mit Ihren Klient*innen ab? Gibt es geregelte Zeiten, spezielle Mitarbeiter*innen, die für die kreativen Arbeiten zuständig sind, werden individuelle Vorlieben berücksichtigt?

Die Arbeitsangebote sind auf Basis der Neigung und des Interesses der Förderstättengänger*innen zugeschnitten, das heißt es besteht immer eine Wahlmöglichkeit. Jedoch ist auch auf eine gewisse Konstanz zu achten, da die Arbeitsschritte zum Teil für die unsere Klient*innen sehr komplex sind, sodass das Erlernen und Verfestigen der jeweiligen Arbeitsschritte letztendlich auch die Qualität der hergestellten Produkte bestimmt.

Wie ist die hohe Professionalität bzw. dieses exakte Arbeiten überhaupt möglich?

Die hohe Professionalität basiert auf dem gemeinsamen Lernen beziehungsweise Erlernen von Mitarbeiter*nnen und Förderstättengänger*innen. Es stellt sich immer die Frage: Wer kann was an welcher Stelle der Herstellung besonders gut? Nur wer seine Fähigkeiten an der richtigen Stelle einsetzen kann, hat im Allgemeinen ein schönes Erfolgserlebnis und ist dann auch bereit, sich auf Neues einzulassen. Das gilt immer für beide Seiten.

Werden die Arbeiten - neben dem Christkindlmarkt in Attenkirchen - noch anderweitig verkauft?

Unsere Produkte werden im „Eine Welt Laden“ in Moosburg und jetzt dann wieder (nach Corona) auch in Barbaras Bücherstube angeboten. Der Weihnachtsmarkt in Attenkirchen ist ebenfalls ein fester Bestandteil in unserem Jahreskalender.

Der Gesetzestext sagt in etwa: Menschen, die in einer Förderstätte arbeiten stellen nicht das Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit her. Sie können daher nicht, nicht mehr oder noch nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten. - Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Wie Sie an meinen Ausführungen oben sehen können, stimmt das so nicht ganz und wir könnten unter anderen Voraussetzungen (mehr Zeit, mehr Räume) auch mehr und gezielter hinsichtlich diverser Arbeitsangebote arbeiten. Raum gibt Entwicklung! Was wir hier machen, das hat nichts mehr mit Basteln zu tun! Wir liefern professionelle Arbeit.

Die Produkte können in dieser Qualität nur hergestellt werden, weil ALLE Mitarbeiter*innen der Förderstätte sich mit Ihrer Haltung, Kreativität und Einsatzfreude mit der eigenen Arbeit identifizieren. Alles zusammen überträgt sich letztendlich auf die Klient*innen und lässt sie als Mensch in ihrer ganzen Vielfalt, jenseits aller Behinderungen, erscheinen. Unsere Produkte würden sich vermutlich letztendlich auch ohne das Lebenshilfe-Logo verkaufen.

Einblick in die Arbeit der FÖST

Bildungsbereich Frauengruppe / Frauenpower

Massagen, Körperwahrnehmungen und autogenes Training werden in der Frauengruppe angeboten. Die Frauen werden ab und an geschminkt und parfümiert. Dabei werden auch verschiedene Düfte und Gerüche entdeckt. Bei schönem Wetter wird oft im Garten gearbeitet, wo auch Pflanzen und Insekten befühlt und gerochen werden. Diese Tätigkeiten vermitteln ein Wohlgefühl, verbessern die motorischen Fähigkeiten sowie die Körper- und Umweltwahrnehmung und schaffen überhaupt oft erst ein Bewusstsein dafür, was es heißt, eine Frau zu sein.

Die Frauengruppe erarbeitet sich ihre Schwerpunkte im Gespräch mit den Teilnehmerinnen. Sie legt Wert auf einen ausgewogenen Wechsel zwischen kreativen und verbalen Angeboten.

Arbeitsbereich Kerzenwerkstatt

Die Kerzenwerkstatt arbeitet mit dem Material Wachs. Sie stellt zu den verschiedensten Anlässen Kerzen, Bilder / Reliefs und Figuren her. Ein weiterer Schwerpunkt sind verschiedenste Auftragsarbeiten und Verkaufsartikel für die in der Stadt ansässige „Barbaras Bücherstube“. Ziel ist die Vermittlung von Arbeit und Arbeitsaufgaben sowie die Wertschätzung durch sichtbare Ergebnisse.

Arbeitsbereich Mosaikwerkstatt

Fliesen in verschiedenen Farben und Stärken werden zerkleinert. Mit den Scherben werden in Mosaiktechnik Gegenstände wie Teller, Blumentöpfe, Vasen sowie Spiegel und größere Skulpturen für den Außenbereich verziert. Die Werkstücke werden bei verschiedenen Gelegenheiten auch zum Verkauf angeboten. Die Vermittlung von Arbeitstechniken führt zur Verbesserung der motorischen Fähigkeiten. Gleichzeitig werden in diesem Arbeitsberich kreative Techniken vermittelt, deren sichtbare Ergebnisse wiederum zur Wertschätzung beitragen.

Arbeits- und Bildungsbereich Körperarbeit-, Bewegung-, Natur und Sozialraumorientierung

Die Aufgabe des Bereiches Bewegung/Körperarbeit soll den Teilnehmer*innen eine positive Körperwahrnehmung und Freude an der Bewegung mit dem eigenem Körper vermitteln. Gleichzeitg trägt die Bewegung zu einer Verbesserung der Koordination, dem Ausbau der eigenen Ausdauerleistung, dem Erhalt und der Verbesserung des gesamten Bewegungsapparates sowie dem Erhalt und Ausbau des Herz-Kreislauf-Systems bei.

Arbeitsbereich Garten

Der Bereich „Garten“ orientiert sich unter anderem an den natürlichen Begebenheiten (innen und außen) im Jahresverlauf. Die Arbeitsaufträge ergeben sich durch die Bestellungen im Bereich Gräberpflege, Gestecke für Feste durch Firmen oder besondere Aufträge. Das kontinuierliche, regelmäßige Arbeiten liefert wertvolle Naturerfahrungen und Sinneswahrnehmungen. Zudem werden eigene Überlegungen für das jeweilige Vorhaben gefördert.

Bildungsbereich Bücherei

Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung. Büchereien sind die am stärksten genutzten Kultur- und Bildungseinrichtungen die grundlegende Materialien wie Bücher, CD`s und DVD`s bereitstellen. Auch Projekte zur Informations- und Medienkompetenz, Weiterbildung oder gegebenenfalls Leseförderung werden angeboten und vorgestellt. Damit wird nicht nur ein Bildungsauftrag erfüllt, sondern auch die Möglichkeit geboten, sich in offener und entspanner Atmosphäre zu begegnen.

Neigungsgruppe Band „Mia san Mia“

Bei der wöchentlich stattfindenden Neigungsgruppe „Band“ treffen im Wechsel feste Band-Mitglieder (neun Teilnehmer*innen) und zusätzlich Interessierte aufeinander. Mit jeweiliger Unterstützung durch Betreuer*innen beteiligen sich diese durch Singen und /oder Spielen eines ausgewählten Orff- oder Percussioninstrumentes aktiv oder passiv durch Beobachten und Hören des musikalischen Ablaufes. Es werden selbst komponierte oder bekannte Liedstücke passagenweise erarbeitet. Diese werden bei bestimmten Anlässen, Festen oder Feiern von der festen Gruppe der Band-Mitglieder „Mia san Mia“ vorgebracht. Ziel ist dabei nicht nur die Vermittlung von musikalischem Hintergundwissen über Klänge, Liedaufbau und Instrumentenkunde, sondern auch die Stärkung der individuellen Kompetenzen und Persönlichkeiten der Teilnehmenden (Wie erlebe ich mich in der Gruppe?). Gleichzeitig steht das Wohlfühlen, sich freuen und angenommen sein als „einzigartiger Teil“ der Gruppe im Vordergrund. Durch Musik kann man sich ohne Worte verstanden fühlen. Zudem werden die Feinmotorik, die nötig ist um ein Instrument zu spielen, und die Grobmotorik, also etwa die Bewegung zur Musik im Raum, gefördert.

Die Bedeutung von Arbeit für den Menschen

Auszug aus: Hein Kistner "Das Konzept 'Arbeit und Bewegung' - Entwicklungsfördernde Arbeitsplätze für Menschen mit schweren Behinderungen

Unserem Verständnis von Arbeit liegt die Auffassung zugrunde, dass der Mensch im Laufe seines Lebens danach strebt, Aufgaben zu erkennen, mit denen er sich identifizieren kann und die er aus eigenem Entschluss erfüllen will. Bewältigt der Mensch Aufgaben, die seinen Intentionen entsprechen, kann er sich als aktiver Gestalter seines Lebens empfinden und seine Entwicklung voranbringen. Andererseits drohen Krisen, wenn die Suche nach den eigenen Aufgaben über längere Zeit erfolglos bleibt.

Arbeit ist in unserem arbeitsteiligen Wirtschaftsleben immer Arbeit für andere. Kein Mensch kann seine Bedürfnisse allein durch Arbeit befriedigen. Wir gehen davon aus, dass diesen wirtschaftlichen Tatsachen auch ein Bedürfnis im Menschen entspricht. Im Menschen ist - neben allen egoistischen Motiven - auch ein Wunsch veranlagt, im anderen Menschen den Anlass und die Begründung für die eigene Tätigkeit zu sehen. Wir betrachten es als ein elementares menschliches Bedürfnis, aus dem eigenen Horizont herauszutreten und seine Fähigkeiten anderen Menschen zur Verfügung zu stellen.

Für ein sinnvoll erlebtes Leben braucht der Mensch deshalb Zugang zur Arbeit. Er ist aber auch zugleich darauf angewiesen, die für ihn in der jeweiligen Lebensphase „richtige“ Arbeit zu finden. Der Zugang zur Arbeit in diesen umfassenden Sinn ist aus unserer Sicht ein Recht aller Menschen - -daher auch ein Recht für Menschen mit schweren Behinderungen.

Die Bedeutung der Arbeit darf nicht daran gemessen werden, in welchem zeitlichen Umfang sie erfolgt. Auch wenn sich ein Mensch nur eine Stunde am Tag in eine Arbeitsgemeinschaft eingliedern kann und nur wenige Minuten darin aktiv mitwirkt, so vollzieht er dennoch in dieser kurzen Zeit sein Arbeitsleben.

Die Mitwirkung an einem Arbeitsprozess darf nicht ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien beurteilt werden. Dass alle Menschen ein Recht auf Arbeit haben, bedeutet nicht, dass jeder einzelne den Zugang zur Arbeit auch realisieren muss.

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