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Wie in den Medien sowie im verlinkten Blogbeitrag zur Mitgliederversammlung bereits berichtet, steht die Lebenshilfe Freising vor

großen finanziellen Herausforderungen.

In diesem Interview gibt Geschäftsführer Johannes Reicheneder nochmals Einblicke, Einschätzungen und Fakten - insbesondere zur Schulfinanzierung.

Einblicke, Einschätzungen und Fakten zu den finanziellen Herausforderungen der Lebenshilfe Freising

Herr Reicheneder, bereits bei der Mitgliederversammlung im November 2023, bei der auch der Jahresabschluss 2022 vorgestellt wurde, wurde klar, dass die Lebenshilfe Freising vor großen finanziellen Herausforderungen steht. Hat sich denn in diesen fünf Monaten die Situation geändert?

Diese Frage muss ich leider verneinen. Die finanzielle Lage bei uns ist nach wie vor gleich, eine Entspannung ist leider nicht in Sicht. Nach wie vor sind der Mittelfluss und die zunehmende Bürokratie ein großes Problem.

Die Lebenshilfe Freising finanziert sich ja überwiegend aus öffentlichen Mitteln. Wer sind denn die wesentlichen Leistungsträger dabei?

Unsere wesentlichen Leistungsträger sind der Bezirk Oberbayern für die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe, die Regierung von Oberbayern für unsere Schule sowie das Refinanzierungssystem des BayKiBiG mit den jeweiligen Zuschüssen der Städte und Gemeinden für den Kita-Betrieb. Ergänzt wird dieses System noch durch Krankenkassen und Zuschussfinanzierungen des Landratsamtes sowie Spenden und Fördermitteln aus der Fernsehlotterie Aktion Mensch.

Seit ungefähr einem Jahr stellt die Lebenshilfe kostenträgerübergreifend einen schwerwiegenden Bruch im System fest, einen Bruch bei den Geldströmen. Von diesem Bruch berichten auch andere Organisationen und Wohlfahrtsverbände, wie die Caritas, das BRK oder die Diakonie – zumindest im Landkreis Freising.

So ist es. Wir sind mit diesem Problem nicht alleine. Wohlfahrtsverbände sind eigentlich gemeinnützig und im grundlegenden Sinne für das Gemeinwohl zuständig - sie sollten also nicht "draufzahlen" müssen, sondern wenigstens bei "einer schwarzen 0" herauskommen. Dass Träger Risiken tragen müssen, die bis hin zur Zahlungsunfähigkeit führen können, ist meiner Meinung nach mit dem Wesen einer Gemeinnützigkeit nicht vereinbar. Es darf nicht sein, dass gemeinnützige Einrichtungen eigene Mittel mitbringen müssen, um ihrem Arbeitsauftrag, bei dem wir übrigens gerade im Schulbereich von staatlichen Aufgaben sprechen, überhaupt gerecht werden zu können.

Gibt es denn eine Lösung für dieses Dilemma?

Ein Ansatzpunkt wäre: Eine Trennung der beiden Stränge "Prüfung" und "Auszahlung". Bis dato werden notwendige Entgeltanpassungen erst dann zur Auszahlung gebracht, wenn deren Kalkulation und Berechtigung final geprüft wurde, was bei den Wohlfahrtsverbänden jedoch zum besagten Bruch bei den Geldströmen sorgt. Werden diese beiden Stränge – Prüfung und Auszahlung – nicht voneinander getrennt, kann es durchaus zu Insolvenzen von Sozialunternehmen kommen. Dieses Gedankenspiel ist leider eine durchaus reale Bedrohung für uns Wohlfahrtsverbände.

Ein zweites grundsätzliches Problem ist die Refinanzierung der Gestehungskosten, die sich grob in Personal-, Sach- und Investitionskosten aufgliedern. Sind davon alle Einrichtungen der Lebenshilfe betroffen?

Gerade im Bereich der Schul- und KiTa-Finanzierung sind die Kosten der Leistungserbringer nicht mehr abgedeckt. Das heißt: Träger bringen Eigenmittel mit und tragen damit ein unternehmerisches Risiko, das zumindest die Lebenshilfe Freising nicht mehr länger stemmen kann.

Dann haben die KiTas ja nicht nur - wie allgemein bekannt - mit fehlenden KiTa-Plätzen, sondern auch noch mit der genannten Refinanzierung zu kämpfen?

Hier möchte ich die These in den Raum werfen, dass gerade die Krise bei den fehlenden Kitaplätzen nicht nur auf den Personalmangel zurückzuführen ist, sondern auch mit der mangelnden finanziellen Ausstattung der Träger zu tun hat. Das BayKiBiG ist nicht mehr kostendeckend. Warum sollte also ein Träger eine Leistung erbringen, bei der er sich gefährdet, indem er Eigenmittel, die es ja so nicht gibt, einbringen soll?

Und wie schaut es im Bereich der Schulfinanzierung aus? Diese haben Sie ja vorhin ebenso angesprochen.

Beide Probleme – mangelnde finanzielle Ausstattung und Mittelflussproblem – sind in der Schulfinanzierung gleichermaßen und dominant vorhanden und werden somit ein existentielles Problem. Die Schulfinanzierung nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz sollte die Träger so ausstatten, dass die Personalkosten, der laufende sowie der einmalige Schulaufwand gedeckt sind und die erforderlichen Mittel auch zeitnah fließen.

Welche Probleme verzeichnen Sie in diesem Zusammenhang konkret bei der Lebenshilfe Freising?

Bei dieser Frage muss ich etwas ausholen. Es gibt drei große Bereiche: Die theoretisch unterschiedliche Bezahlung der Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Tarifen, die prozentualen Lohnsteigerungen bei den Tarifrunden sowie die Teuerungen und inflationsbedingten Kostensteigerungen:

Das von uns angestellte Schulpersonal wird nach dem TVöD VKA / TVöD SuE bezahlt. Die Personalkostenerstattung legt jedoch den TV-L zugrunde. Als Unternehmen können wir aber nicht verschiedene Tarife bei der Bezahlung unserer Mitarbeitenden anwenden. Es gilt bei der Lebenshilfe Freising das Prinzip der Tarifbindung und der Tarifkonformität im Kontext des TVöD. Das bedeutet nun für uns, dass gewisse Personalkosten schlicht und ergreifend nicht gedeckt sind. An vorderster Stelle steht hier die Großraumzulage (München-Zulage).

An zweiter Stelle stehen die prozentualen Lohnsteigerungen bei den Tarifrunden. Die letzte Erhöhung im TVöD (200,00 € + 5,5 %; Anm. d. Red.) stand mit Wirkung zum 1.3.2024 an. Der TV-L wiederum unterliegt anderen Tarifrunden und damit anderen Steigerungswerten, die dem TVöD derzeit um etwa ein Jahr hinterherhinken. Auch hier müssen wir also in Vorleistung gehen - und tragen damit ein gewaltiges Risiko.

Zu guter Letzt kommen noch die Teuerungen und inflationsbedingten Kostensteigerungen dazu. Die Schulfinanzierung erlaubt im sogenannten Schulbudget eine Anpassung an die Preissteigerungen nach einem festgelegten Index. Dieser Index ist jedoch regelrecht realitätsfremd und deckt bei Weitem nicht unsere tatsächlichen Trägerverwaltungs- und Sachkosten. Dieses prekäre Schulbudget führt bei der Lebenshilfe Freising auch in diesem Jahr zu einem Defizit in voraussichtlich sechsstelliger Höhe.

Für solche Fälle gibt es aber doch die Härteregelung. Greift sie bei der Lebenshilfe Freising nicht?

Doch, ja, die Härtefallregelung soll Defizite der Träger ausgleichen. Defizite, die aus den Regelungen des schulbezogenen Budgets nicht gedeckt werden können. Aber auch hier gibt es wiederum Probleme: Wir wissen nicht, wie hoch der Zuschuss ist, da dieser jährlich aus einem Gesamttopf ausgeschüttet wird und unter dem Vorbehalt vorhandener Haushaltsmittel steht. Unser Defizit wird dadurch jedenfalls nicht ausgeglichen werden, da ja die Personalkostenerstattung in der Schulfinanzierung nicht auskömmlich ist.

Anmerkung der Redaktion: Auch andere Lebenshilfen, die ein Förderzentrum und / oder eine Schule betreiben, haben die gleichen Probleme zu verzeichnen. Als Gründe sind die überbordende Bürokratie, große Zahlungsrückstände der Leistungsträger und mangelnde Refinanzierungen zu nennen. Das BayKiBiG ist nicht mehr ausreichend.

Geschäftsführer Johannes Reicheneder

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